Stress, Frust oder Einsamkeit – viele Menschen greifen in solchen Momenten zu Süssem, obwohl sie eigentlich keinen Hunger verspüren. Dieses Verhalten ist keine Schwäche, sondern eine biochemisch nachvollziehbare Reaktion. Emotionen beeinflussen das Essverhalten stark, insbesondere negative. Der Körper sucht in belastenden Situationen nach schneller Entlastung. Bereits in der Kindheit lernen wir: Ein Bonbon beruhigt, ein Stück Kuchen tröstet. Diese Konditionierung bleibt im Erwachsenenalter bestehen. Der Unterschied: Heute essen wir heimlich im Homeoffice oder vor dem Laptop, statt am Tisch mit der Familie. Zudem sind uns Versuchungen überall zugänglich, ob vor Ort im Supermarkt oder wenn wir besondere Süssigkeiten in der Schweiz online bestellen.
Zucker als Stimmungsregler
Zucker ist nicht nur Energielieferant, sondern auch ein Stimulator des Belohnungssystems im Gehirn. Beim Verzehr süßer Speisen wird Dopamin freigesetzt: Ein Neurotransmitter, der kurzfristig Glücksgefühle auslöst. In stressigen Situationen, in denen Cortisol ausgeschüttet wird, wirkt Zucker wie ein emotionales Gegengewicht. Das Gehirn verknüpft diese Erfahrung mit Erleichterung, wodurch das Verhalten verstärkt wird.
Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass der Effekt mit jedem Mal schwächer wird. Das bedeutet: Um dieselbe Wirkung zu erzielen, essen wir mehr. Genau das macht emotionales Essen so tückisch – es unterläuft unsere Kontrolle, obwohl es wie eine freie Entscheidung wirkt. Emotionales Essen beginnt meist harmlos, wird aber schnell zum Muster. Der Körper merkt sich: “In schwierigen Momenten kommt Schokolade.” Je häufiger das passiert, desto automatisierter läuft der Vorgang ab. Dabei bleibt das eigentliche Problem unangetastet. Problematisch ist nicht das Stück Schokolade an sich. Problematisch ist der Verlust der bewussten Entscheidung. Die ständige Wiederholung führt zu Frust, Gewichtszunahme oder einem gestörten Essverhalten. Studien zeigen, dass Menschen, die häufig aus emotionalen Gründen essen, ein höheres Risiko für depressive Verstimmungen und Essstörungen entwickeln.
Kultur und Gewohnheit – Zucker gehört dazu
Besonders in der Schweiz, aber auch in vielen anderen Ländern sind Süßigkeiten fest mit Ritualen und Gemeinschaft verknüpft. Geburtstage, Feiertage, Abschiede, sogar Meetings: Fast jede soziale Situation kennt eine Form von Zuckermoment. Diese Verknüpfung verstärkt den emotionalen Wert von Süßem. Diese tiefe Einbettung in Alltagsstrukturen macht es besonders schwer, emotionale Muster rund ums Essen zu durchbrechen – denn es geht nicht nur um Nährstoffe, sondern um Zugehörigkeit, Identität und Erinnerung.
Was hilft gegen emotionales Essen?
Wichtig ist zunächst die bewusste Wahrnehmung: Was fühle ich, bevor ich esse? Welche Situationen lösen das Verhalten aus? Schon die Fähigkeit, emotionale Trigger zu erkennen, ist ein erster Schritt zur Veränderung. Auch Alternativen helfen – nicht im Sinne eines Ersatzes, sondern als echte Strategien zur Emotionsregulation: Beispielsweise Bewegung, frische Luft, ein Gespräch oder eine kreative Pause.
Psychologische Beratungsansätze, etwa aus der kognitiven Verhaltenstherapie, setzen genau hier an. Sie zielen darauf ab, automatische Muster zu unterbrechen und neue, konstruktive Reaktionen zu etablieren. Dazu gehört auch, wieder zwischen echtem Hunger und emotionalem Verlangen zu unterscheiden.
Genuss ist nicht das Problem
Essen darf trösten – niemand muss sich für Schokolade schämen. Aber wir sollten wissen, warum wir essen und welche Bedürfnisse dahinter stehen. Denn wer Süssigkeiten nur als Flucht benutzt, nimmt sich langfristig die Chance auf echten Genuss. Es geht nicht um Verzicht, sondern um Bewusstheit. Darum, wieder in Beziehung mit dem eigenen Körper zu treten – ohne Schuld, aber mit Verantwortung. Wer sich also ab und zu etwas Schokolade gönnen möchte, kann das getrost und ohne schlechtes Gewissen tun.